Kaum ein anderes Mineral kommt in der Erde und im Wasser so häufig vor wie Salz. Weltweit werden 70 Prozent des Salzes in unterirdischen Steinsalzlagern gewonnen; das Meer, salzhaltige Seen und Quellen liefern die übrigen 30 Prozent.
Autorin: Andrea Pauli u.a. GN 4-16
Von den riesigen Salzmengen, die jährlich gefördert werden, werden nur etwa drei Prozent als Speisesalz genutzt. Salz ist für das menschliche Leben von genauso großer Bedeutung wie Wasser. Weder ohne Wasser noch ohne Salz könnten wir überleben.
Salz hat einen erheblichen kulturgeschichtlichen «Wertverfall» erlebt. Teuer gehandelt wird es teilweise aber immer noch – als erlesenes kulinarisches Produkt wie schwarzes oder rotes Hawaiisalz, Fleur de Sel, Rauchsalz, persisches Blaues Salz, Himalayasalz – die Vielfalt kennt kaum Grenzen. Empfehlenswert ist in jedem Fall naturbelassenes Meersalz. Es enthält, anders als Steinsalz, einen wertvollen Mineralienmix. Und darauf schwor bereits Naturheilkundepionier Alfred Vogel.
Salz besteht chemisch gesehen vor allem aus Natrium und Chlor – es ist also nichts Besonderes daran. Dennoch wurde es Tausende von Jahren geschätzt und verehrt. Ist das alles nur noch Geschichte? Oder können die weißen Kristalle vielleicht doch mehr als würzen und konservieren? Sind unterschiedliche Salze je nach Herkunft und Verarbeitung unterschiedlich wertvoll?
«Wer genug Salz im Hause hat, dem mangelt’s nie an Geld und Macht!» lautete eine alte Weisheit. Salz war zeitweise so wertvoll, dass es als Zahlungsmittel verwendet wurde. Römische Beamte und Legionäre wurden mit einer bestimmten Menge Salz bezahlt, dem «salarium» (wir kennen noch heute das Wort «Salär»). Seinetwegen wurden Kriege geführt, Handelswege eröffnet und kontrolliert, Monopole festgelegt, Steuern und Zölle erhoben, Städte gegründet und verwüstet, Vermögen gemacht und verloren.
Die Beherrschung der Salzvorkommen und die wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen um Fördermengen, Transportwege und Preisgestaltung damals sind durchaus vergleichbar mit der Bedeutung des «schwarzen Goldes» unserer Tage, dem Erdöl. Seine immense wirtschaftliche Bedeutung erreichte das Salz nicht in erster Linie wegen seiner Würzkraft, sondern weil es als Konservierungsmittel für Fleisch, Fisch, Kräuter, Kohl, Butter und andere Nahrungsmittel unentbehrlich war. Eine alte Schweizer Bauernregel mahnte «Schlachte nicht mehr, als du salzen kannst».
Salz in flüssiger Form findet man in den Weltmeeren, und zwar drei bis vier Gramm pro Liter Wasser. Meersalz wird an den Küsten der Ozeane in künstlich angelegte flache Becken, die Salzgärten, geleitet. Während Wind und Sonne das Wasser verdunsten lassen, setzt sich das Salz am Boden ab und wird von den Salzbauern geerntet. Weitere Fundgruben für in Wasser gelöstes Salz sind Salzseen und Solequellen. In festem Zustand findet man Salz in Schichten im Erdinneren.
Steinsalz wird – wie schon in keltischer Zeit im Salzkammergut – bergmännisch unter Tage abgebaut. Hierzu werden mächtige Kammern erstellt, die Gewinnung erfolgt durch Bohr- und Sprengarbeiten. Das geförderte Salz wird zerkleinert, gereinigt und für die einzelnen Anwendungsgebiete aufbereitet. In anderen unterirdischen Salzstöcken wird das Salz durch zugeführtes Wasser gelöst und mit Pumpen als Sole zu Tage gefördert. Die Sole, ob sie aus Salzbergwerken, salzhaltigem Grundwasser oder Quellen stammt, muss getrocknet, d.h. eingedampft werden und ergibt das so genannte Siede- oder Kochsalz.
Salzgewinnung in der Camargue: Jedes Jahr gehen 1200 Tonnen des weißen Goldes auf die Reise nach Colmar.
In Hallstatt im heutigen Österreich, dem ältesten Salzbergwerk der Welt fanden sich große Salzvorkommen. Die Hallstätter nahmen es bei ihrer Salzsuche gleich mit dem ganzen Berg auf: Sie ritzten parallele Rillen ins Gebirge und brachen das dazwischenliegende Salzgestein heraus. In Tragesäcken aus Rinderhaut schleppten sie das «Hauklein» fort. Dank massiver Hacken mit widerstandsfähigen Bronzespitzen arbeiteten sich die Salzsucher immer tiefer vor. Ein geübter Hauer schaffte einen Meter pro Monat sogenannten Vortrieb.
Bis in eine Tiefe von 200 Metern klopften und hämmerten sich die emsigen Hallstätter Salzbergleute hinab. Gegen 1245 v. Chr. beendete ein verheerender Erdrutsch den gesamten Betrieb mit einem Schlag. Erst um 850 v. Chr. setzte die Geschichte des (vor-)industriellen Salzabbaus Hallstatts wieder ein. Nun umso wirkungsvoller, mit bis zu 300 Meter tiefen Schachtanlagen.
Die Hallstätter wussten bereits im 6. Jahrhundert v. Chr., wie man eine Marke unverwechselbar macht: Sie brachen ihr Salz in massiven Blöcken als Herzform aus dem Berg. Das galt als Qualitätsnachweis.
Die älteste Art der Salzherstellung war das «Verkochen» der Sole zunächst in Tonpfannen, später in Blei- und Eisenpfannen. In ganz Europa existiert noch eine einzige kleine Saline, welche die Pfannensiederei praktiziert: Luisenhall bei Göttingen.
In riesigen «Pfannen» erhitzte man das Salzwasser so lange, bis nur ein Salzbrei übrig blieb, der getrocknet wurde. Als eine der wichtigsten Salzstädte des Mittelalters galt Lüneburg. Zwischen 1276 und 1797 wurde Lüneburger Salz in 54 Siedehütten gewonnen, jede besaß vier Bleipfannen. Fast 300 Menschen schufteten rund um die Uhr, die Siedefeuer brannten Tag und Nacht, Qualm und Dampf waberten ununterbrochen durch die engen Gassen.
Der Energieaufwand für die Herstellung von Siedesalz war enorm. So ist die Lüneburger Heide als Ergebnis einer ökologischen Katastrophe entstanden: Vor Jahrhunderten waren riesige Wälder radikal vernichtet worden, weil Lüneburg das Holz zum Kochen seiner Sole brauchte. Heute kann Siedesalz mit Hilfe aufwändiger Technik energiesparend gewonnen werden.
Eine Art «doppelte Salzgeschichte» schrieb die Gegend von Wieliczka («Gross Salze») in Polen, wo Salzsiederei seit etwa 3500 v. Chr. nachweisbar ist. Mitte des 13. Jahrhunderts waren die Salzquellen erschöpft. Man suchte unter Tage nach Sole und entdeckte eine Steinsalzlagerstätte, die jahrhundertelang ausgebeutet wurde. Wieliczka ist eines der ältesten bis heute in Betrieb befindlichen Salzbergwerke der Welt mit faszinierenden Kristallgrotten und unterirdischem Kurort.
Es gibt auf der Erde viele Salzseen, diesehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Der Salar de Uyuni in Bolivien ist mit 12.000 Quadratkilometern der größte Salzsee der Welt. Der Assalsee in Dschibuti hat dagegen mit 54 Quadratkilometern nur eine sehr kleine Fläche, ist mit knapp 35 Prozent aber der See mit dem weltweithöchsten Salzgehalt. Zu den bekanntesten Seen mit Salzwasser gehören das Tote Meer mit durchschnittlich 28 und der Große Salzsee in Utah mit 25 Prozent Salzgehalt. Ist die Verdunstung größer als der Wasserzufluss, entsteht eine Salzwüste – dieses Schicksal scheint dem Aralsee in Asien zu drohen, dessen Fläche in nicht einmal 50 Jahren um 40 Prozent und dessen Wassertiefe um 70 Prozent zurückging.
Bis ins 16. Jahrhundert mussten die Eidgenossen Salz vom Ausland beziehen. Erst mit der Entdeckung der großen Steinsalzlager am Hochrhein wurde das Land von Importen unabhängig. Die Zentren der schweizerischen Salzgewinnung befanden und befinden sich im Norden des Landes bei Muttenz, Kaiseraugst, Rheinfelden und Riburg (Vereinigte Schweizerische Rheinsalinen). Auch im unteren Rhonetal in der Nähevon Bex im Waadtland wird seit 1684 Salz gewonnen, zunächst im Stollenbau; erst seit 1960 wird das Salz mit Quellwasserüber 800 Meter lange Bohrlöcheraus dem Fels gewaschen. Die zurückfließende Sole wird in Becken aufgefangen. Das Salz wird anschliessend vom Wasser getrennt und zu Speise- oder Strassensalz verarbeitet.
Salz fand und findet sich auch in den wärmsten Klimazonen der Erde, den Wüstengegenden. Zum Beispiel im Nordwesten Äthiopiens, wo die Danakilwüste vor Jahrtausenden vom Roten Meer überflutet wurde, was eine mehrere Hundert Meter dicke Salzschicht zurückließ. Flirrend heiß ist es hier, unwirtlich, über 50 Grad im Schatten tagsüber.
Das Salz wird wie zu Urzeiten «geerntet», indem angespitzte Stämme in die feinen Risse der Salzschicht gesetzt und vorsichtig Platten herausgehoben werden. Mit Äxten werden diese zu Tafeln zerschlagen. In mühsamster Handarbeit, von Sonnenaufgang bis Einbruch der Dunkelheit. Die salzige Last transportieren Kamele, jedem Tier werden rund 20 Platten auf den hölzernen Packsattel gebunden, dann geht es im Trab tagelang durch die Wüste ins Hochland.
In Äthiopien wurde Salz in Barren mit einem Gewicht von einem knappen Kilo ausgegeben. Der Wert der Barren richtete sich nach der Entfernung zu den Salzbruchstellen: je weiter weg, desto höher der Wert. In Europa geht die Nutzung von Salz als Zahlungsmittel bis ins 10. Jh. v. Chr. zurück. Die Römer übernahmen diese Art des Tauschhandels von den Kelten und bezahlten ihre Legionäre, Offiziere und Beamten mit Salz. Das erklärt den Ursprung des englischen Wortes «salary» (Lohn), abgeleitet vom lateinischen «salarium».
Von jeher bedurfte es einer gewissen Schläue, um auf Salzvorkommen zu stossen und sie zu nutzen. Die alten Briten erhitzten Stöcke am Strand, tauchten sie ins Meer und kratzten das Salz herunter, die Azteken gewannen Salz, indem sie ihren eigenen Urin verdunsten liessen, fand beispielsweise Sachbuchautor Bill Bryson heraus. «Der unbewusste Drang, Salz in die Nahrung zu bekommen, ist offenbar sehr stark und noch dazu universell», konstatiert Bryson in seinem Buch «Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge».
Inkas beispielsweise (13. bis 16. Jh.) filterten mittels Verdunstung Salz aus dem Wasser des Rio Urumbaba. Archäologische Funde und historische Schriften belegen, dass um 6000 v. Chr. Anwohner eines südchinesischen Sees das durch Verdunstung auskristallisierte Salz abgeschöpft haben. Kleine Körnchen, grosser Reichtum Weltweit wurde jahrtausendelang geschuftet, um ans Salz zu gelangen – und es wurde gescheffelt. Denn mit Seltenem und Edlem lässt sich gut Geld verdienen. War in einer Region Salz aufgrund mangelnder Vorkommen oder kriegerischer Umtriebe knapp, ging die Kunde von reichen Salzlagerstätten in einer Art Mund-zu-Mund-Propaganda von Ort zu Ort.
Gewiefte Kaufleute feilschten mit machthungrigen Landesherren und um Einfluss bemühtem Klerus, Verträge wurden ausgehandelt. Pfade, Wege, Strassen, alles stand zu Zeiten der Kleinstaaterei unter irgend jemandes Machtbereich, verlangte Genehmigungen, Zoll, Gebühren. Doch dank des begehrten Minerals kristallisierten sich große Handelsrouten heraus, die «Salzstrassen», die man sich als Korridore durch eine ganze Region vorstellen muss.
Viele Strassen zwischen bedeutenden Städten in Europa, Arabien und dem Fernen Osten wurden eigens für den frühen Salzhandel gebaut. Von Hallstatt aus handelten die Kelten, die zeitweise ein Salzmonopol für große Teile Mitteleuropas innehatten, mit dem «weissen Gold» bis in die heutigen Länder Frankreich, Italien und Ungarn. Von Halle, dem Zentrum der Salzproduktion in Mitteldeutschland, erstreckte sich der Salzhandel jahrhundertelang auf zwölf Landwegen in alle Himmelsrichtungen. Eine der bedeutendsten Routen ist die «Alte Salzstrasse » von Halle nach Prag.
Zwischen 1545 und 1546 förderte man in Halle rund 19 000 Tonnen Salz, «ein für damalige Zeiten ungeheures Potential», so Bernd Bieler, Vizepräsident des Vereins «Alte Salzstrasse Halle-Prag». Über 4600 Fuhrwerke und Karren wurden in jenem Jahr mit Salz beladen, wie amtliche Verträge von damals bezeugen. In Halle ging das Salz nach «Stück» heraus, 54 Pfund Gewicht, elf Schwertgroschen wert. 60 Stück Salz konnte ein vier- oder sechsrädriges, hölzernes Fuhrwerk mit sechs bis zehn Pferden laden. «Verlader» sorgten dafür, dass das kostbare Gut bestens verpackt war: Plane aufs Fuhrwerk, dann Stroh in die Ritzen, das in Klumpen geschlagene Salz von Weiden umhüllt, nochmals mit Tuch bespannt – nur so konnte man sicher sein, dass ein Platzregen die kostbare Fracht nicht einfach vom Wagen wusch. Wobei Regen nicht das einzige Problem darstellte – Räuberei war an der Tagesordnung. Betrug auch, dreiste Schurken tauschten das Salz einfach gegen Asche und Dreck aus.
Konflikte blieben auch im Salzhandel nicht aus – über Jahrhunderte flammten immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen auf. 1156 beispielsweise liess Heinrich der Löwe die alte Isarbrücke bei Freising zerstören, um selbst von den Salzgewinnen profitieren zu können. Nun musste das in Bad Reichenhall abgebaute Salz über die Brücke in seiner Stadt München transportiert werden. Die dafür kassierte Maut liess München prosperieren.
Vom «weißen Gold» zum billigen Alltagsprodukt wandelte sich das Salz im 19. und 20. Jahrhundert. Mithilfe neuer wissenschaftlicher Methoden erkundete man bislang unbekannte Salzlagerstätten. Stark vorangetrieben wurde weltweit der bergmännische Abbau von Steinsalz. Heute sind die Verfahren der Salzgewinnung hochmodern, mit computergesteuerten Sprenglöchern in den technisierten Bergwerken.
Die Preise indes sind so niedrig wie noch nie, Salz ist ein Massen- respektive Industrieprodukt geworden. Die moderne Industrie nutzt Salz auf rund 14 000 verschiedene Arten, etwa zur Herstellung von Medikamenten, zur Bodendüngung, zur Seifenherstellung, zur Wasserenthärtung, zur Färbung von Stoffen, für Regeniersalz für Spülmaschinen, die Futtermittelherstellung, Fischverarbeitung und Lederkonservierung. Den weitaus größten Teil des Salzes braucht die chemische Industrie. Sie stellt aus Salz (Natriumchlorid) Soda, Chlor und Natronlauge her.
Haupteinsatzgebiet von Chlor ist die Herstellung des Kunststoffes PVC. Abnehmer für Natronlauge sind u. a. die Bau-, Automobil- und Verpackungsindustrie, die Landwirtschaft, die Nahrungsmittel- und Textilindustrie.
Soda wird zur Herstellung von Glas, Seife, Wasch- und Putzmitteln, Leimen, Klebstoffen und Papier benötigt. Ein großer Teil des Koch- und Siedesalzes wird zudem als Streu- oder Tausalz auf unsere winterlichen Straßen aufgebracht; der Anteil von Auftausalz am Gesamtverbrauch von Salz kann in strengen Wintern bis zu 40 Prozent betragen.