Manche sind klein wie eine Nuss, andere groß wie ein Ball, einige leuchten hellgrün, andere kommen in dunklem Blaurot daher, bei den einen sind die Blätter begehrenswert, bei anderen landen die Blüten im Kochtopf. Die verschiedenen Brassica-Gemüse haben eins gemeinsam: alle blühen gelb und gehören als Kohlsorten zur Familie der Kreuzblütler. – Ingrid Rawer-Zehnder, 1.99
Der Kohl hat ein zwiespältiges Image. Seit altersher als Star unter den heilkräftigen Gemüsen bekannt und gerühmt, galt und gilt er in der Küche nicht besonders viel. Schon Adamo Lonicero wusste in seinem Kräuterbuch von 1679:
«Seines Geschlechts seynd viel, der roth Kot, krause Kot, weiß Kot, gelb Kot, breit Kot und Cappis Kot, welcher die grossen Häupter bringt. Ist ein berühmtes Mußkraut in allen landen. Des Cappes und Korbblätter Gebrauch dem Viehe und Leuten, ist nit gnug zu beschreiben, sonderlich armen Leuten eine grosse Zuflucht zu einer Speis und Arzney.»
Noch lange kämpften Kabis und Kohl mit ihrem Ruf als «Musskraut» der armen Leute. In den Nachkriegsjahren waren sie auf den Speisezetteln verpönt, wie alles, was in den Hungerszeiten notgedrungen und zu häufig auf dem Teller war.
Erst der Bekanntschaft mit den Küchen Asiens und der Nouvelle Cuisine, die wagemutig kleine gelbe Kohlrübenstückchen als Farbtupfer zu drei Karotten und fünf Erbsenschoten assortierte, blieb es vorbehalten, den Kohl wieder salonfähig zu machen. Und da war es dann auch egal, ob man im Treppenhaus bereits erahnen konnte, was im Kochtopf schmorte - niemand konnte ja wissen, ob da eine gewöhnliche Kohlsuppe oder eine exotische Frühlingsrolle in Vorbereitung war.
Doch Spaß und alte Erinnerungen beiseite. Heute fordern alle Ernährungswissenschaftler einhellig: Essen Sie mehrmals in der Woche oder besser noch täglich eine reichliche Portion (250 Gramm) Kreuzblütler-Gemüse! Denn die Kohlsorten sind nicht nur reich an komplexen Kohlenhydraten, sondern liefern eine Fülle von Nährstoffen, die der Abwehr von Krankheiten und der Gesunderhaltung des Organismus zugute kommen.
Was den Nährstoffgehalt betrifft, liegen Rosenkohl und Brokkoli an der Spitze, gefolgt von Blumenkohl und Weißkohl. Doch enthalten auch andere Kohlsorten reichlich Kalium, Kalzium, Magnesium und Vitamin C sowie Carotin (Provitamin A).
Übrigens werden in der Fünf-Elemente-Ernährungslehre der Traditionellen Chinesischen Medizin alle Kohlsorten (mit Ausnahme von Kohlrabi) dem Element «Erde» zugeordnet, das befeuchten, entspannen, harmonisieren und Lebensenergie aufbauen soll.
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Umfangreiche Bevölkerungsstudien, die sich mit den am stärksten krebshemmenden Nahrungsmitteln beim Menschen befassten, legen den Schluss nahe, dass der häufige Verzehr verschiedener Kohlsorten mit einem geringeren Auftreten von Erkrankungen wie Dick- und Mastdarmkrebs, Krebserkrankungen im Bereich von Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre und Schilddrüse sowie möglicherweise Herzkrankheiten in Zusammenhang gebracht werden darf.
Die Wissenschaftler empfehlen allerdings, wenigstens einen Teil des Kohls roh zu essen. Alle Kreuzblütlergemüse sind reich an chemischen Stoffen, die mit der Krebsabwehr zu tun haben: Indole, Dithiolthione und die Glucosinolate, die stechend riechenden Senföle, sind die Trumpfkarten der Kohlsorten. So gilt Indol-3-Karbinol als ein Faktor bei der Vorbeugung gegen Brustkrebs und andere hormonabhängige Tumore. Sulforaphan gilt als das am besten untersuchte Senföl und Indolreich sind alle Mitglieder des Kohl-Clans, besonders aber Rosenkohl und Blumenkohl.
Altbewährt und doch ein wenig in Vergessenheit geraten sind Kohlauflagen bei Quetschungen, schlecht heilenden Wunden, Geschwülsten, inneren Entzündungen, offenen Beinen, Angina, Leberinfektionen, Arthritis und anderen, vor allem auch chronischen Beschwerden.
Sollte die Giftstoffe herausziehende, zugpflasterähnliche Wirkung der Weißkohl- oder Wirsingauflagen eine unerwünscht starke Reaktion hervorrufen, empfiehlt Alfred Vogel, mit beruhigenden Lehmauflagen, die mit Zinnkrauttee angerührt und, falls nötig, mit Johannisöl geschmeidig gehalten werden, abzuwechseln.
Brokkoli wird fast überall angebaut, vor allem in Italien bei Verona und den USA. Die Erntereife erreicht Brokkoli, wenn die einzelnen Knospen deutlich angeschwollen sind.
Beim Bio-Brokkoli findet sich hin und wieder mal ein ungebetener Besucher.
Die Italiener (im Allgemeinen) würzen die gekochten Brokkolistängel mit zerlassener Sardellenbutter und die Römer (im Besonderen) dünsten die vorgekochten Teile in einer Öl-Weißwein-Knoblauchmischung fertig. In Lille nimmt man zum Finish gehackte, in Butter gedünstete Zwiebeln und Petersilie. Auch frisch geriebene Muskatnuss und geröstete Pinienkerne passen gut.
Stängelkohl, cima di rapa («Berggipfel der Rübe»), broccoletto heißt die vor allem in Süditalien bekannte Sorte, die etwas kleiner als Brokkoli ist, ein leicht bitteres Kohlaroma hat und mit Stängeln, Blütenständen und Blättern am besten kurz gedämpft als Gemüse schmeckt. Ernte hauptsächlich zwischen Mai und November.
Stängelkohl/Cima di Rapa. Foto: Fotolia/G.Porzani
Beim Blumenkohl wächst die gestauchte Blütensprosse mit den Knospen zu einer festen «Blume» aus, die weiß oder gelblich sein kann. Er hat einen zarten Geschmack und ist leicht verdaulich . Ursprünglich aus Kleinasien kommend, wird er heute weltweit angebaut, hauptsächlich in Europa und Asien. Vermutlich stammt er von Brassica cretica (Gemüsekohl) ab, eine wild in Südgriechenland und Zypern wachsende Urform des Kohls auf den auch die heutigen Formen Blumenkohl, Brokkoli, aber auch Kohlrabi abstammen.
Durch intensive Züchtungen wurde aus der Urform eine weiße Blumenkohlpflanze, doch gab es früher auch violette, gelbe und grüne Formen. Heute versucht man wieder die ursprüngliche Vielfalt zu erlangen. Man kann ihn blanchiert acht bis zehn Monate tiefkühlen.
Blumenkohl wird in Salzwasser oder in Milchwasser gegart und auf vielerlei Arten weiterverarbeitet. Die Engländer richten ihn mit frischer Butter an, die Niederländer mit holländischer Sauce, die Mailänder bestreuen ihn mit Parmesan und überbacken ihn, die Polen offerieren ihn mit gehacktem Ei, Petersilie und brauner Butter mit geröstetem Paniermehl, in Padua wird er mit gehacktem Schinken und Champignons in einer dicken Tomatensauce serviert, darüber kommen geriebener Parmesan sowie Butterflöckchen bevor das Ganze überbacken wird.
In der Provence schätzt man die knackig gekochten Röschen besonders als Salat: mit einer Sauce aus Weinessig, Öl, Weißwein, Zitronensaft, Senf, Salz, Pfeffer, etwas Zucker und einem Hauch Knoblauch. Romanesco, Minarettkohl oder Türmchenblumenkohl wird die «römische», grüne Blumenkohlzüchtung genannt, die einen intensiverem, aber weniger «kohligen» Geschmack hat. Er ist der grüne Vorfahr des Blumenkohls, jedoch noch feiner und würziger. Seine Blütenstände sind weniger gestaucht und weniger dicht als beim Blumenkohl. Die sattgrünen Blüten kann man mit Stängeln und den zarten Blättern zubereiten. Er ist leicht verdaulich, wirkt blutdruckregulierend, enthält viel Karotin, Magnesium und Vitamin C. Hält sich blanchiert bis zu einen Jahr in der Tiefkühltruhe.
Seine Heimat wird im östlichen Mittelmeerraum vermutet, doch wird der Grünkohl heute in ganz Nordwesteuropa kultiviert. Das deftigwürzige Wintergemüse, dessen dunkelgrüne, krause Blätter keinen Kopf bilden, schmeckt am besten nach dem ersten Frost und ist besonders in Norddeutschland beliebt. «Kohl und Pinkel» ist ein Grünkohlgemüse zu einer Art Schweinswurst mit Hafergrütze, Zwiebeln, Piment und anderen scharfen Gewürzen.
Blanchierte Kohlblätter halten sich tiefgefroren ein Jahr lang. Grünkohl wird möglichst fein gehackt oder durch die Maschine gedreht und meist mit Schweine oder Gänseschmalz und gedünsteten Zwiebeln in wenig Wasser zubereitet. Es geht aber auch vegetarisch, z.B. mit Grießschnitten.
Grünkohl ist sehr reich an Vitamin C, Kalium, Kalzium und vor allem an Carotin/Provitamin A (4100 µg/100 g).
Foto: Fotolia/GVictoria