Aromatisch, nussig, fein: Sesamkörnchen sind winzige Vitaminbömbchen und ein wertvoller Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung.
Claudia Rawer 6.10
Sesam begegnet uns meist nur als «Garnitur» auf dem Brötchen oder dem Müesliriegel. Dabei kann man viel mehr mit ihm anfangen: Frisch geröstete Sesamsamen verfeinern Gemüse-, Fisch- und Fleischgerichte und geben Salaten den besonderen Pfiff.
Zu Nudeln oder Käse schmeckt Sesam köstlich; er passt in die herzhafte Vorspeise wie ins süße Dessert. Das aromatische Sesamöl mit der dunklen Farbe lässt sich zum Kochen, Braten und Aromatisieren verwenden und verleiht den Speisen eine feine, charakteristische Note.
Nicht nur dem Geschmack, auch der Gesundheit zuliebe sollten wir öfter einmal Sesam verwenden: Sesamsamen sind reich an sekundären Pflanzenstoffen und an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Pflanzensterine sorgen dafür, dass der Cholesterinspiegel auf natürliche Weise gesenkt wird. Sesam enthält reichlich blutbildendes Eisen und knochenstärkendes Kalzium sowie das Spurenelement Selen, das unser Immunsystem stärkt und die Zellmembranen schützt.
Nicotinsäure oder Niacin, früher als Vitamin B3 bezeichnet, ist wichtig für die Regeneration der Haut, Muskeln, Nerven und DNA. Tocopherol oder Vitamin E ist ein wichtiger Schutz vor freien Radikalen, der durch die Inhaltsstoffe Sesamol und Sesamolin noch verstärkt wird. In kleineren, aber ebenfalls noch nennenswerten Mengen enthält Sesam Folsäure und Magnesium, letzteres wichtig für die Muskelarbeit – auch die des Herzens.
Vor allem für Vegetarier oder Veganer ist Sesam ein wichtiger Eiweißlieferant – auch Alfred Vogel achtete darauf, «genügend Nüsse, Sesam und Mandeln» zu essen, um «Eiweißarmut zu vermeiden».
Die kleinen Körnchen bestehen zu rund 20 Prozent aus Eiweiß – gut zur Hälfte allerdings aus hochwertigen Fetten. Das macht sie auch zu einem eher kalorienreichen Vergnügen, also nicht übertreiben! Sesamöl besteht zu 40 Prozent aus einfach ungesättigter Ölsäure und zu etwa 45 Prozent aus zweifach ungesättigter Linolsäure sowie einer geringen Menge gesättigter Fette. Die Vitamine B3 und E sind auch im Öl enthalten.
Sesamöl kann sehr lange aufbewahrt werden, auch in Tropenhitze wird es nicht ranzig. Diese Eigenschaft hat es wohl seiner Herkunft zu verdanken: Man vermutet, dass die Sesampflanze (Sesamum indicum) ursprünglich aus Afrika stammt und von dort nach Indien und China gelangte. Sesam ist eine einjährige Pflanze mit weißen, rosa oder dunkelroten Blüten und wird bis zu zwei Meter hoch. Die Fruchtkapseln enthalten je nach Sorte weiße, beige, braune oder schwarze Samen.
In unserer Küche sollte der gesunde Sesam auf jeden Fall teelöffelchenweise Einzug halten. Andere Länder wissen ihn schon lange zu schätzen. In der arabischen Küche ist Sesam für die Süßspeise Halva und die Gewürzpaste Tahini oder Tahin sowie als Zutat zu Hummus unverzichtbar, in Mexiko braucht man ihn für Mole Poblano, eine Paste aus vielen Gewürzen und Schokolade.
In Asien ist Gomasio sehr beliebt, eine Gewürzmischung aus gerösteten hellen Sesamkörnern und Meersalz, auch würzt man gerne mit einem kaltgepressten, sehr aromatischen Sesamöl. Das nussige Aroma der kleinen eiförmigen Samen verstärkt sich beim Erhitzen: Daher sollte man Sesam immer ungeröstet einkaufen und erst kurz vor der Verwendung in einer trockenen Pfanne anrösten – nicht zu heiß, damit er nicht verbrennt.
Sesam passt sehr gut zu Salaten, zu Gemüse wie Spinat, Spargel, Blumenkohl, grünen Bohnen, Paprika und Zucchini, zu Crevetten, Fisch, Rind- oder Hühnerfleisch, er macht sich gut in Kartoffel- und Gemüsesuppen und gibt Frischkäse oder Quark den letzten Pfiff.
Besonders delikat ist eine Honig-Sesamkruste. Dafür braucht man etwa einen Teelöffel Honig auf 10 Gramm Sesam – je nach Oberfläche entsprechende Mehrfachmengen. Süßmäulchen panieren und backen damit Bananen; wer es pikant mag, kann noch ein wenig Sojasauce, Chilis oder Senf dazugeben und zum Beispiel Lachs, eine Poulet- oder Entenbrust oder frischen Ziegenkäse damit im Ofen überbacken. Auch Gäste werden davon begeistert sein.
Sesam ist eine der ältesten Ölpflanzen der Welt; heute wird sie in allen tropischen und subtropischen Gebieten angebaut. Übrigens gehört auch die Teufelskralle (Harpagophytum procumbens), die gegen rheumatische Beschwerden eingesetzt wird, zur Familie der Sesamgewächse.
Sesamsamen wird schon seit vielen tausend Jahren geschätzt und auch für therapeutische und kultische Zwecke verwendet. Die Ägypter buken Brot aus Sesammehl, Wein wurde mit Sesam veredelt, und im alten Babylon verzehrten die Frauen Süßigkeiten aus Sesamsamen und Honig, um ihre sexuelle Gesundheit und Fruchtbarkeit zu erhalten.
Die Babylonier legten ihre Vorliebe für die kleinen, aromatischen Körnchen sogar schriftlich nieder. Auf einer etwa 4000 Jahre alten Tontafel steht in Keilschrift zu lesen: «Mit Sesam würzen die Götter.» Sesamkuchen spielte eine wichtige Rolle in der Hochzeitszeremonie der alten Griechen. Pragmatischer waren die Chinesen, die Sesamöl verbrannten, um aus dem Russ Tinte herzustellen.
Das «Sesam, öffne dich» aus dem arabischen Märchen «Ali Baba und die vierzig Räuber» geht wohl darauf zurück, dass Sesam auch für Zauber eingesetzt wurde – und auf die Beobachtung der Natur: Die Samenkapseln des Sesams springen von selbst auf, wenn die Samen reif sind.
Für die Bauern war das sehr wichtig: Sie mussten den Zeitpunkt abwarten, an dem der Sesamsamen fast reif, aber noch nicht so reif war, dass sich die Kapseln öffneten. Verpassten sie diesen Punkt, wurde der winzige Samen überall verstreut und ging verloren. Inzwischen ist die Ernte einfacher: Bei den heutigen Züchtungen springt die Samenkapsel nicht mehr von selbst auf.
Sesamöl ist pflegend für die Haut. In Indien dient es zur Herstellung von Kosmetika, Seifen und Körpersalben. Gerne werden ihm wundersame kosmetische Eigenschaften zugeschrieben: So soll es die Haut jung halten, straffen und vor Alterung schützen. Sogar gegen Cellulite soll es wirken und auch gegen einen steifen Nacken sowie bei kalten Füßen helfen.
Im Ayurveda wird Sesamöl als Massageöl benutzt. Es spielt aber auch eine wichtige Rolle bei der morgendlichen Ölziehkur, bei der man einen Esslöffel voll Öl im Mund kräftig hin- und herbewegt, damit gurgelt und es anschließend ausspuckt. Das Öl soll dabei schädliche Stoffe aus dem Gewebe ziehen und an sich binden.
Allergiker müssen aufpassen: Sesam ist ein starkes Allergen. Zwar ist er nur sehr selten Auslöser allergischer Reaktionen, bei bestehender Allergie können aber sehr heftige Beschwerden auftreten. Sesam ist daher deklarationspflichtig; bei verarbeiteten Lebensmitteln müssen auch geringste Mengen in der Zutatenliste angegeben werden.
Nicht verwechseln sollte man Sesam mit dem Schwarzkümmel, der manchmal fälschlich als «schwarzer Sesam» bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um den Samen der «Jungfer im Grünen» (Nigella sativa). Nigellasamen entwickeln beim Mahlen oder Kauen ein Aroma, das entfernt an Oregano erinnert.
Noch eine Verwechslung: Manchmal ist auch von «Wildem Sesam» oder «Sesamblättern» die Rede. Dabei handelt es sich ebenfalls nicht um Sesamum indicum, sondern um die Perilla-Pflanze (Perilla frutescens), auch Shiso oder Schwarznessel genannt, die in der japanischen Küche als Gewürzkraut verwendet wird.