Es ist Sommer, und der Appetit auf deftige Mahlzeiten dürfte eher gering ausfallen. Eine willkommene Abwechslung ist Joghurt: Ob gelöffelt, getrunken oder als würziger Kontrapunkt in Suppen, er ist ideal für heiße Tage.
Tino Richter 7.15
Bis zu 18 Kilogramm Joghurt verspeisen Deutsche pro Jahr: Joghurt mit Früchten. Foto: 123RF7Christian Jung
Ein Blick ins Kühlregal reicht, um zu wissen, dass Joghurt eines der beliebtesten Produkte überhaupt ist. Ganze 17 bis 18 Kilogramm verspeisen Deutsche und Schweizer pro Jahr und Kopf davon. Ein schier endloses Sortiment von fast 2000 verschiedenen Frucht-, Soja- und Naturjoghurts lässt keine Wünsche offen. Joghurt ist gesund, er enthält wenig Fett und Kalorien sowie hochwertiges Eiweiß, Kalzium, Jod, Magnesium und Vitamine.
Meist wird den fertigen Joghurts aber immer noch viel zu viel Zucker zugesetzt. Dabei geht es auch ohne. Ob als Naturjoghurt gemischt mit frischen Blau- oder Himbeeren, gefroren als Ersatz für Speiseeis, als Salatdressing statt Crème fraîche oder als Dip mit Kräutern aus dem Garten, Joghurt ist vielseitig einsetzbar. Gerade im Sommer ist er mit seiner cremigen Konsistenz und seinem leichten und frischen Geschmack besonders beliebt.
Sauermilcherzeugnisse wie Joghurt zählen zu den ältesten Milchprodukten überhaupt, wurde doch auf diese Weise Milch erst haltbar gemacht. Zwar wird Joghurt vorwiegend aus Kuhmilch hergestellt, es gibt aber auch welchen aus Schaf-, Ziegen oder sogar Kamelmilch. Am bekanntesten dürfte der cremige griechische Joghurt sein. Dieser wird traditionell durch ein Sieb oder Leinentuch gepresst, um ihm Wasser und Molke zu entziehen.
Dadurch weist er auch einen höheren Fettgehalt (ca. 10 Prozent) als normale Joghurts auf. Ganze vier Liter Milch werden für ein Kilogramm griechischen Joghurt gebraucht, dadurch bekommt er seinen besonderen Geschmack und eignet sich sogar als Sahneersatz. Wer allerdings «Joghurt nach griechischer Art» kauft, bekommt einen normalen Joghurt, der meist durch die Zugabe von Sahne der griechischen Variante geschmacklich angeglichen wurde. Die Kopie ist dann meist auch fester in der Konsistenz und milchiger im Geschmack.
Zunächst wird Milch auf über 80 Grad erhitzt, erst dann verändert sich die Struktur des Eiweisses und die Molke wird gebunden. Beim Herunterkühlen auf etwa 50 Grad gibt man die Joghurtkulturen hinzu, das sogenannte «Impfen». Die Bakterien wandeln den Milchzucker (Laktose) in Milchsäure (Laktat) um.
Deshalb enthält Joghurt nur ganz wenig Laktose und wird auch von laktoseintoleranten Menschen meist besser vertragen als frische Milch. Dann lagern sich die Milchproteine aneinander, die Milch wird fest. Nach etwa sechs bis acht Stunden ist aus der Milch ein Joghurt geworden – ohne dass die gesunden Inhaltsstoffe verloren gegangen sind.
Durch Abdampfen wird dem Joghurt Wasser entzogen, was zu einem höheren Vitamin- und Mineralstoffgehalt (z.B. Kalzium) pro Volumen führt. Aus einem Liter Milch wird so rund ein Liter Joghurt gewonnen.
Tzatziki ist ein aus Joghurt, Gurken, Olivenöl und Knoblauch bestehender Dip. Die türkische Variante heisst Cacik und wird durch Minze, Dill und Essig ergänzt. Foto: Mauritius/K.Schwabe
Ayran ist in der Türkei ein beliebtes Erfrischungsgetränk. Hier werden Joghurt und Wasser im Verhältnis 2:1 gemischt und mit Salz abgeschmeckt. Verwendet werden stark säuernde Bakterienkulturen wie Lactobacillus bulgaricus und Streptokokkus thermophilus. Besonders nach scharfem Essen tut so ein Ayran gut, denn das Fett bindet die Schärfe erzeugenden Stoffe. Nicht nur in Indien kennt man Lassi, das wie Ayran im Verhältnis 1:1 oder 2:1 mit Wasser oder Milch und Joghurt gemischt wird.
In Europa versteht man darunter meist ein Joghurtgetränk mit Fruchtgeschmack. Doch Lassi ist mehr, es lässt sich gesüsst mit Honig, Safran, Rosenwasser und pürierten Früchten wie Mango oder auch gewürzt mit geröstetem Kreuzkümmel, Kardamom und Garam Masala genießen. Im Iran und Afghanistan kennt man es unter Dugh, in Saudi Arabien und der gesamten arabischen Halbinsel unter dem Namen Laban.
Eine Besonderheit stellt der Kefir dar, denn er wird nicht nur mit Milchsäurebakterien, sondern zusätzlich mit Hefepilzen und Essigsäurebakterien hergestellt und ist deshalb auch leicht alkoholhaltig. Früher verwendete man sogenannte Kefirknollen, eine gummiartige Masse aus Bakterien, Hefepilzen, Eiweißen und Fetten. Bei der industriellen Produktion wird mit einer fest definierten Mischung aus Hefepilzen und Bakterien gearbeitet.
Der besonders bei Veganern beliebte Soja-«Joghurt» hat eine etwas leichtere Konsistenz, weshalb oft Verdickungsmittel zugegeben werden, dafür enthält er kaum Zucker. Die Bezeichnung Joghurt ist innerhalb der EU allerdings auf Milcherzeugnisse beschränkt, weshalb die Hersteller von Soja-Produkten meist zu Kunstwörtern wie «Yofu» greifen oder ganz auf Namen verzichten.
«Frozen Joghurt»: Einfach den Joghurt mit Früchten nach Wahl ins Gefrierfach und schon ist die leichte Eis-Alternative fertig. Foto: Dreamstime/Romrodinka
Laut «Ökotest» ist der Verbrauch von Fruchtjoghurt zwischen 2011 und 2013 um zwei Kilogramm zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum stieg der Verbrauch von Naturjoghurt von vier auf fünf Kilogramm pro Kopf und Jahr. Ein Grund dürfte das allgemein gestiegene Gesundheitsbewusstsein sein.
Kein Wunder, denn im handelsüblichen Fruchtjoghurt stecken neben viel Zucker noch einige andere Dinge wie Magermilchpulver für die festere und cremigere Konsistenz, Verdickungsmittel, Emulgatoren, Farb- und Aromastoffe. Bei neun Gramm (sechs Prozent) pro Becher fällt der Fruchtanteil zudem sehr bescheiden aus – das ist gerade eben eine Erdbeere pro Becher, also nicht wirklich eine Konkurrenz zu selbstgemachtem Joghurt.
Während in der Schweiz Produkte mit diesen Zusätzen als Joghurt verkauft werden dürfen, sind diese in Deutschland nur unter der Bezeichnung Joghurterzeugnis erhältlich.
Im Vorteil: Bio-Joghurt
Der heutige Naturjoghurt unterscheidet sich wesentlich von dem aus den 70er- und 80er Jahren. Dieser war den Konsumenten viel zu sauer und trug den bezeichnenden Hinweis «ohne Geschmack». Wer Naturjoghurt kaufen möchte, greift laut «Ökotest » am besten zu Bioware, denn hier haben die Kühe im Durchschnitt mehr Gras und Heu gefressen und liefern damit auch mehr Omega-3-Fettsäuren als bei der Fütterung auf Maisbasis.
Die bulgarische Tarator (dt.: kalte Gurkensuppe) besteht aus Gurken, Knoblauch, Dill und Olivenöl, die man in eiskalten Joghurt einrührt. Foto: 123RF/Wiktory
Joghurt gilt auch als gesund, weil er lebende Bakterien enthält, die im menschlichen Darm vorkommen. Je mehr wir gute Bakterien wir zu uns nehmen, desto besser für den Darm – und desto höher die Lebenserwartung. So lautete zumindest die Theorie, die der Nobelpreisträger Ilja Metchnikoff in seinem 1908 erschienenen Buch «The Prolongation of Life: Optimistic Studies» vertrat.
Seitdem sind Laktobazillen vom Typ «bulgaricus», Streptokokken und Bifidus-Bakterien in fast allen Joghurts zu finden. Die am häufigsten verwendete Bakterienkultur heisst Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus, ist also nicht mehr die gleiche wie Anfang des 20. Jahrhunderts. Allerdings überlebt diese nicht oder nur in geringer Zahl die Magen-Darm-Passage, d.h. die ihr häufig zugeschriebene verdauungsfördernde Wirkung endet bereits im Magen.
Joghurt-Hersteller haben sogenannte probiotische Joghurts entwickelt, deren Bakterien auch im Darm lebend ankommen (sollen). Mindestens eine Milliarde Bakterien sind nötig, um eine nennenswerte Wirkung zu erzielen. Hierzu gehören die Milchsäurebakterien Lactobacillus rhamnosus, acidophilus und casei Shirota; der Lactobacillus johnsonii La1 sowie die Bifidusbakterien «bifidum» und «animalis subsp. lactis». Kommen probiotische Bakterien im Darm an, können sie auf ganz unterschiedliche Art wirken. Sie bilden eine Art Schutzmantel um die Darmzotten, die dadurch mehr Nährstoffe aufnehmen können.
Laktobazillen sind zudem gute Antagonisten anderer Bakterien-Stämme, d.h. sie können Andockstellen von Zellen besetzen; schädliche Bakterien haben dann keine Möglichkeit die Zelle zu befallen. Wieder andere können Säuren produzieren und schützen sich so vor anderen Bakterien. Probiotische wie auch nicht-probiotische Bakterien trainieren zudem die Immunzellen. Oft reicht schon eine leere Bakterienhülle aus, um das Immunsystem zu aktivieren.
Es ist also prinzipiell gesund, Joghurt zu essen und theoretisch noch etwas besser, wenn man probiotische Bakterien dabei aufnimmt. Allerdings verträgt nicht jeder Milcheiweiss gleich gut. Zudem müsste man sehr regelmäßig davon essen, da sich die Bakterien nicht dauerhaft im Darm ansiedeln.
Achtung bei Probiotika
Bei den in klinischen Studien häufig erwähnten Probiotika handelt es sich nicht um handelsüblichen probiotischen Joghurt, sondern um ausschliesslich für diesen Zweck gezüchtete Bakterienkulturen, also Medikamente. Diese können in drei Bereichen hilfreiche Dienste leisten: bei Durchfall, bei geschwächtem Immunsystem und bei Allergien. Einer amerikanischen Studie zufolge soll Joghurt pur in einem gewissen Maß vor Diabetes Typ 2 schützen.
Im letzten Jahr wurden Verbraucher durch Meldungen verunsichert, wonach linksdrehende Milchsäure und Glykolsäure die durch Parkinson geschädigten Nervenzellen vollständig wiederherstellen können. Die dazugehörige Studie von Dresdner Forschern bezog sich jedoch auf Fadenwürmer und menschliche Zellen im Labor, die aber nur rund fünf Prozent der Betroffenen repräsentieren. Verbraucher, die gezielt nach Kulturen mit linksdrehender Milchsäure fragten, mussten über das Missverständnis aufgeklärt werden.
Linksdrehende Milchsäure D(–) ist quasi das Spiegelbild der rechtsdrehenden L(+): chemisch sind sie identisch, nur ihre Moleküle sind spiegelbildlich angeordnet. Während rechtsdrehende Milchsäure ein Zwischenprodukt unseres Energiestoffwechsels ist, also vom Körper selbst oder von Darmbakterien gebildet wird, kann die D(–)-Milchsäure nur in der Leber und Niere von einem speziellen Enzym abgebaut werden. Rechtsdrehende Milchsäure gilt deshalb für den Menschen als die physiologisch bessere. Streptokokken z.B. erzeugen nur rechtsdrehende, Laktobazillen bilden nur linksdrehende Milchsäure.