Immer fest mit beiden Beinen auf dem Boden gestanden und dann plötzlich so verunsichert? Viele Frauen können gar nicht einordnen, was mit ihnen los ist, wenn sie sich ohne handfesten Grund ängstlich fühlen. Was viele nicht wissen: Angst und manchmal sogar Panikattacken sind eine häufige Begleiterscheinung der Wechseljahre. Auslöser dafür sind zwar vor allem die hormonellen Veränderungen, aber Experten gehen davon aus, dass zusätzlich auch die Auseinandersetzung mit dem Älterwerden die Seele belasten kann.
Autorin: Annette Willaredt
Was ist denn eigentlich mit mir los? Das fragen sich sehr viele Frauen zwischen dem 40. und 50. Geburtstag. Ein Gefühl der inneren Unruhe begleitet seit kurzem den Alltag und will nicht mehr verschwinden. Einige werden plötzlich von Angst überfallen.
Sie sitzen beispielsweise im Auto und trauen sich nicht auszusteigen und ihren Einkauf zu erledigen, weil sie nur noch zittern und regelrecht Panik empfinden. Solche Gefühle sind schwer einzuordnen. Besonders eine gestandene Power-Frau, die bisher problemlos ihren Beruf ausgefüllt und dazu die Familie gemanagt hat, erkennt sich nicht wieder.
Die neuen, unangenehmen Empfindungen belasten den gesamten Alltag. Bei vielen Frauen führen die Unsicherheit und Ängstlichkeit dann zu Vermeidungsstrategien, sie verhalten sich ganz anders als gewohnt, wagen es nicht, etwas Neues anzupacken. Dass das Begleiterscheinungen der Wechseljahre sind, auf die Idee kommen viele Betroffene gar nicht. Jede Frau weiss zwar, wenn sie aus heiterem Himmel zu schwitzen beginnt: Es ist soweit. Denn über körperliche Begleiterscheinungen des Klimakteriums wie Hitzewallungen oder Schlafstörungen wird viel geredet und geschrieben. Weniger bekannt sind die seelischen Beeinträchtigungen in dieser Lebensphase. Sehr schwer ist es für Frauen vor allem dann, ihre Angstgefühle mit dem „Wechsel“ in Verbindung zu bringen, wenn noch gar keine körperlichen Anzeichen dafür auftreten. Viele fürchten deshalb, langsam durchzudrehen.
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Einen großen Anteil an Ängstlichkeit in den Wechseljahren haben die Hormone. Typisch für die erste Phase des Klimakteriums ist es, dass weniger Progesteron produziert wird, der Eisprung fällt immer häufiger aus. Dadurch bekommen die Östrogene eine mehr oder minder stark ausgeprägte Dominanz. Östrogen wirkt allerdings aktivierend und hemmt gleichzeitig Botenstoffe, die müde machen und angstlösend wirken. So kann es zu innerer Unruhe, Ängsten oder sogar Panikattacken kommen. Später in den Wechseljahren ist es dann der sinkende Östrogenspiegel, der das psychische Befinden beeinträchtigt.
Aber nicht alle Frauen leiden unter solchen Gefühlen, obwohl sich auch bei ihnen der Hormonhaushalt verändert. Es muss also noch weitere Faktoren geben, die die Entstehung von Ängsten fördern. Für viele Frauen sind die Wechseljahre auch eine Zeit, in der sie seelischen Belastungen ausgesetzt sind und sich häufig neu orientieren müssen. Vielleicht sind die Kinder ausgezogen und sie müssen mit diesem Abschied klarkommen. Andere müssen sich damit auseinandersetzen, dass die Möglichkeit, Mutter zu werden, nun unwiderruflich vorbei ist. In manchen Fällen droht die Pflegebedürftigkeit der Eltern oder Schwiegereltern, eine meist sehr stressige Aufgabe.
Dazu kommt, dass das Älterwerden langsam Spuren hinterlässt. In einer Gesellschaft, in der vor allem bei Frauen Jugend Attraktivität bedeutet, gilt es, ein Selbstbewusstsein zu finden, das nichts mit dem Äusseren zu tun hat. In vielen asiatischen und afrikanischen Kulturen gewinnt eine Frau mit steigendem Alter an Ansehen, wird geschätzt. Bei uns sieht das leider anders aus und es ist sehr schwer, sich als einzelnes Individuum davon frei zu machen. Kein Wunder also, dass Frauen um die 50 seelisch nicht immer im Gleichgewicht sind.
Aber was können Frauen machen, damit ihre Ängste und Verunsicherungen wieder verschwinden? Auch wenn es banal klingt: Für viele ist es schon eine enorme Erleichterung, eine Erklärung für ihre Symptome zu haben. Es ist besser, zu wissen: Das sind „nur“ die Wechseljahre. Denn hat man diese Information nicht, muss man ja befürchten, eine ernste psychische Störung zu haben.
Zusätzlich gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, um seelisch wieder fit zu werden. Bewährt haben sich alle Strategien, die auch bei der Bewältigung von Stress helfen. Dazu gehören Entspannungstechniken wie z.B. Autogenes Training oder Feldenkrais. Aber auch die positive Wirkung von viel Bewegung – besonders an der frischen Luft – und einer ausgewogenen Ernährung darf nicht unterschätzt werden.
Sehr gute Erfahrungen machen viele Frauen mit Achtsamkeitstraining. Ein Klassiker ist hier der Body-Scan: Für die Übung braucht man rund 30 Minuten Zeit. Man legt sich z.B. auf eine Matte am Boden oder eine flache Liege. Die Beine werden ausgestreckt, die Arme liegen neben dem Körper. Nun die Augen schliessen und den Atem ruhig fliessen und die Gedanken kommen und gehen lassen. Nach ein bis zwei Minuten richtet man seine Aufmerksamkeit auf seinen rechten Fuss. Wie fühlt er sich an? Wie genau liegt er? Ist er warm oder eher kalt? Es geht nur darum, sich den Zustand des Fusses genau bewusst zu machen, ohne etwas zu ändern. Danach durchwandert man in Gedanken mit der gleichen Aufmerksamkeit die Wade, das Knie, das restliche Bein bis zur Hüfte. Es folgt das andere Bein. Nun konzentriert man sich auf das Becken, den Rücken, Bauch, Brust, Schultern, die Arme, den Nacken, den Hinterkopf, die Stirn und jeden Teil des Gesichtes bis zum Kehle. Abschließend stellt man sich vor, bei jedem Atemzug frische, positiv aufgeladene Luft einzuatmen und Belastendes, Störendes sowie Schädliches auszuatmen und damit abzugeben. Dann die Augen öffnen, sich etwas strecken und recken und dann aufstehen. Wer es schafft, die Übung möglichst täglich durchzuführen, wird bald seelisch viel ausgeglichener sein und neue Energie verspüren.
Auch einige Heilkräuter können bei Ängstlichkeit helfen. Das ätherische Öl des Lavendel enthält beruhigende und angstlösende Substanzen. Auch die Melisse wirkt sehr gut gegen nervöse Unruhe. Die Kamille entspannt, ohne müde zu machen. Baldrian, Hopfen und Passionsblume haben neben der beruhigenden auch eine schlaffördernde Wirkung. Man kann aus den Pflanzen einzeln oder zu gleichen Teilen gemischt einen Tee kochen und ihn über einige Wochen täglich trinken. Wählt man schlaffördernde Kräuter, sollte man den Tee immer abends genießen. Naturreine ätherische Öle von Lavendel oder Rose wirken auch in der Duftlampe angstlösend.
Ganz wichtig: Bringen diese Massnahmen nicht bald einen spürbaren Erfolg, sollte man sich professionelle Hilfe holen. Bei ausgeprägten Ängsten können eine psychotherapeutische Unterstützung oder die Gabe von Medikamenten nötig sein.