Die gutartige Vergrösserung der Prostata, benigne Prostatahyperplasie (BPH), ist nach dem Alter der Hauptgrund für sexuelle Funktionsstörungen beim Mann. Die BPH ist damit die häufigste gutartige Organvergrösserung und tritt ab dem 60. Lebensjahr bei 50 Prozent aller Männer auf. Aufgrund hormoneller Veränderungen kann sich die Prostata bereits im Alter von 40 bis 45 Jahren langsam vergrößern. Sie wächst dabei um die Harnröhre herum, was zu einer zunehmenden Einengung sowie zu einer Verringerung des Fassungsvermögens der Blase führen kann.
Im schlimmsten Fall blockiert das auch die Abflussmöglichkeit für den Harn: Harnstau und Nierenschädigung können die Folge sein. Unter einer sexuellen Funktionsstörung oder Dysfunktion versteht man z.B. Störungen beim Erreichen und Erhalt der Erektion, Probleme mit dem Samenerguss (Ejakulation) und ein vermindertes sexuelles Verlangen (Libidoverlust).
Die zusätzliche, vor allem psychische, Belastung für die Betroffenen ist sehr gross: Kommt doch zu den Symptomen wie gestörte Harnentleerung, Schmerzen beim Wasserlassen, Nachträufeln etc. auch noch eine eingeschränkte Sexualität. Viele Betroffene haben dann das Gefühl, kein «richtiger» Mann mehr zu sein, und dies führt mitunter dazu, dass sich die Symptome einer sexuellen Dysfunktion noch weiter verschlimmern.
Patienten mit BPH-Symptomen leiden doppelt so häufig unter sexuellen Funktionsstörungen wie gleichaltrige Männer ohne BPH-Symptome. Die gute Nachricht dabei ist, dass Männer auch im fortgeschrittenen Alter noch sexuell aktiv sind. Eine gross angelegte Studie mit fast 13 000 Männern aus den USA und sechs europäischen Ländern zeigt aber auch, dass Erektionsstörungen, ein verminderter Samenerguss oder eine schmerzhafte Ejakulation Begleiterscheinungen von mit BPH in Zusammenhang stehenden Problemen des unteren Harntraktes sein können.
Demnach erreicht jeder zweite Betroffene im Alter zwischen 60 und 69 Jahren keine oder nur eine reduzierte Erektion. 49 Prozent gaben an, keinen oder nur einen verminderten Samenerguss zu haben. Von Schmerzen oder einem unangenehmen Gefühl beim Samenerguss berichteten sieben Prozent der Männer. In einer in Deutschland durchgeführten Studie wiesen 72 Prozent der BPH-Patienten zwischen 30 und 80 Jahren eine erektile Dysfunktion auf, nur 38 Prozent hatten keine derartigen Symptome.
Sexuelle Funktionsstörungen können z.B. durch Diabetes, Übergewicht, hohen Blutdruck, Herzbeschwerden oder Stress verursacht werden. Treten sie im Zuge einer benignen Prostatahyperplasie auf, sind die Zusammenhänge dabei noch nicht vollständig geklärt.
Von Medizinern werden verschiedene Hypothesen diskutiert: Da es in einer wachsenden Prostata immer gewisse Entzündungsherde gibt, können diese die Reizleitung in den Nerven wie auch das Gewebe beeinträchtigen. Wird der schlecht abfliessende Harn durch starke Pressbewegungen der Blase herausgedrückt, verhärtet sich die Muskulatur in diesem Bereich. Dies kann in der Folge zu einer verringerten Erektionsfähigkeit führen. Auch die altersbedingte Abnahme des Sexualhormons Testosteron und der gleichzeitige Anstieg von Östrogen im männlichen Körper kann zu sexueller Dysfunktion und zu Prostatawachstum führen. In einer der neueren Theorien wird auch eine verschlechterte Durchblutung im Allgemeinen als Grund angeführt. Dadurch werden die Schwellkörper des Penis nicht ausreichend mit Blut versorgt. Zugleich wird aber die Vorsteherdrüse zu lange durchblutet. So kann es zu einer Überkonzentration von Testosteron in der Prostata kommen, was schliesslich zu weiterem Prostatawachstum führen kann.
Aber auch die Einnahme von zahlreichen Medikamenten kann zu Störungen der Erektionsfähigkeit führen. Bei Männern, die zwei und weniger Arzneimittel einnehmen, treten Erektionsprobleme statistisch gesehen nur bei rund einem Sechstel auf. Bei regelmässiger Einnahme von über zehn Medikamenten ist bereits jeder Dritte betroffen.
Die Angst, im Alter impotent oder inkontinent zu werden, ist bei Männern sehr gross. Probleme mit Lust, Potenz, Harndrang beim Verkehr und Orgas-musfähigkeit können so belastend sein, dass sich die Betroffenen zurückziehen und ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum einschränken. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern der Universität Witten/Herdecke an 469 Patienten dokumentierte einen klaren Zusammenhang zwischen den BPH-spezifischen Symptomen und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität; unter anderem zeigte sich eine deutlich verschlechterte allgemeine Lebensqualität und eine starke Beeinträchtigung der sozialen Aktivitäten, wozu auch das Sexualleben zählt.
Ein Grund dafür könnte aber auch sein, dass nur etwa 25 Prozent der Männer über ihr Leiden sprechen und sich nur etwa 10 bis 25 Prozent behandeln lassen. Dass Männer sich auch in anderen Gesundheitsfragen seltener an Ärzte wenden, ist bekannt. Mann redet nicht, Mann schweigt, ob aus Scham oder falsch verstandenem Stolz auf die Männlichkeit.
Wer wirklich aktiv etwas gegen diese altersbedingte Erkrankung unternehmen will, der wird das Problem wörtlich genommen nicht aussitzen können. Mit pflanzlichen Mitteln lassen sich vor allem im Frühstadium der Erkrankung (BPH-Stadien I bis II) bemerkenswerte Erfolge erzielen.
Extrakte aus getrockneten Sägepalmenfrüchten werden aufgrund ihrer wachstums- und entzündungshemmenden Wirkung bereits erfolgreich bei Prostatabeschwerden eingesetzt. Eine in der Schweiz durchgeführte Studie mit BPH-Patienten sollte nun klären, ob ein standardisierter Sägepalmen-Extrakt negative oder gar positive Einflüsse auf die sexuelle Dysfunktion haben könnte.
Die Studie, unter Beteiligung von Prof. Dr. Reinhard Saller, Institutsdirektor und Lehrstuhlinhaber für Naturheilkunde an der Universität Zürich, konnte erstmals nicht nur eine Wirkung gegen die Prostata-beschwerden, sondern auch gegen damit verbundene sexuelle Funktionsstörungen belegen. Zwar deuteten bereits frühere Untersuchungen auf einen positiven Effekt der Sägepalmen-Medikation hin, die Datenlage war jedoch stets ungenügend.
Jetzt konnte gezeigt werden, dass die tägliche Einnahme einer Kapsel aus 320 Milligramm Sägepalmen-Extrakt bereits nach acht Wochen zu einem signifikanten Rückgang BPH-typischer Beschwerden führt. Häufiger, intensiver, auch nächtlicher Harndrang, abgeschwächter Harnstrahl, verlangsamte Harnentleerung, Restharngefühl, Druck über der Blase und Nachtröpfeln von Urin gingen um rund 50 Prozent zurück. Als zweite Wirkung stellte sich auch eine Verbesserung beim Erreichen und dem Erhalt der Erektion, bei der Libido sowie bei Ejakulationsproblemen um rund 40 Prozent ein.
Nach Einschätzung der Patienten konnte in 76 Prozent der Fälle ein sehr guter oder guter Effekt sowohl bezüglich Erektionsfähigkeit als auch Libido beobachtet werden.
Die Dauer bis zum Wirkungseintritt wird mit zwei bis vier Wochen, die Therapiedauer mit drei bis sechs Monaten und einer regelmässigen Wiederholung angegeben. Sägepalmen-Extrakt ist damit eine der ersten Therapien weltweit, für die eine Verbesserung der BPH-Symptome und der sexuellen Funktionsstörungen gezeigt werden konnte, wenn auch in kleinem Rahmen.
Im Gegensatz zu nicht-pflanzlichen Wirkstoffen zur Behandlung einer BPH bleibt die Anwendung des Heilpflanzen-Extraktes weitgehend nebenwirkungsfrei. Denn eine BPH-Therapie mit synthetischen Medikamenten kann die sexuelle Dysfunktion sogar weiter verschlimmern oder diese gar erst auslösen. Zwischen 30 und 40 Prozent der BPH-Patienten, die mit synthetischen Medikamenten behandelt werden, leiden an Ejakulations- und Erektionsstörungen.
Hinzu kommt, dass die Medikation mit Sägepalme sehr viel kosteneffektiver ist. In Absprache mit dem behandelnden Arzt sollte also genau geklärt werden, welche Therapie infrage kommt.
Die niedrigstämmige Sägepalme (bot. Serenoa repens) kann bis zu zwei Meter hoch werden. Hauptverbreitungsgebiet ist Florida. Die Sägepalme produziert während der Sommermonate olivengrosse Früchte (Bild rechts), welche ihre Farbe von Mai bis September von grün über gelb-orange bis zu blau-schwarz wechseln.
In den Früchten sind auch die pharmakologisch wirksamen Inhaltsstoffe enthalten. Der westlichen Medizin ist die Sägepalme in den USA seit Ende des 18. Jahrhunderts, in Europa erst seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Sie wurde zur Verbesserung der Verdauung, bei der Behandlung von Bronchitis, bei Beschwerden im weiblichen Urogenitaltrakt, BPH-Symptomen und Impotenz angewendet. Doch bereits die Ureinwohner Floridas, die Seminole-Indianer, nutzten die Sägepalme medizinisch, u.a. als Beruhigungsmittel sowie als Aphrodisiakum.
Ebenfalls bei Beschwerden in den BPH-Stadien I und II sind Behandlungen mit Extrakten des Afrikanischen Pflaumenbaums, der Brennnesselwurzel, dem Rotklee, dem Weidenröschenkraut, dem Kürbissamen und Roggenpollen bekannt. Es fehlen hier aber noch weiterführende Studien, welche eine Wirksamkeit belegen könnten.
Für eine Linderung von Symptomen einer sexuellen Dysfunktion in Zusammenhang mit einer benignen Prostatahyperplasie sollte auch eine Veränderung der Lebensweise in Betracht gezogen werden. Eine gesunde ballaststoff-, vitamin- und mineralstoffreiche Ernährung mit vielen Früchten und Gemüse in Verbindung mit ausreichender Bewegung bildet hier die Grundlage.
Wer abends weniger trinkt, vermeidet zudem häufiges nächtliches Aufstehen. Allerdings sollte der Toilettengang auch nicht unnötig hinausgezögert werden, um die Blase nicht zusätzlich zu reizen. Beim Wasserlösen sollte Mann sich Zeit lassen, damit sich die Blase möglichst vollständig entleeren kann. In der Sitzposition gelingt das am besten: Die Blasenmuskulatur kann sich entspannen, was zu einer besseren Entleerung führt.
Wer Beckenbodentraining – ja, auch Männer haben eine Beckenbodenmuskulatur – betreibt, kann nicht nur seine Erektionsfähigkeit verbessern, sondern auch die Ejakulation hinauszögern (siehe «Gesundheits-Nachrichten» vom Mai 2010). Auch als Nachbehandlung von Prostata-Operationen wird Beckenbodentraining erfolgreich eingesetzt.
Autor: Tino Richter
Erschienen in der Juli/August-Ausgabe 2012 der Gesundheits-Nachrichten.
Stadium I Reizstadium (leichte Beschwerden):
Drang zu häufigem Wasserlassen ohne vermehrte Ausscheidung, nächtlicher Harndrang, Probleme beim Wasserlösen und Nachträufeln. Auch das seelische Wohlbefinden und die Sexualität können erheblich eingeschränkt sein.
Stadium II Restharnstadium (mässige Beschwerden):
Verstärkte Beschwerden des Reizstadiums, Harninkontinenz, zusätzlich unvollständige Blasenentleerung.
Stadium III Dekompensationsstadium (starke Beschwerden):
Blase kann nicht mehr entleert werden (Harnverhaltung). Ständiges Nachträufeln, Nierenschädigung durch Harnstau bis hin zu Nierenversagen und Harnvergiftung (Urämie)